Heute habe ich die Ernährungswissenschaftlerin Silke Restemeyer von der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE) interviewt. Denn schon lange wollte ich der Frage nachgehen, was es eigentlich mit Superfoods auf sich hat. Der Begriff begegnet einem überall – doch keiner weiß so richtig, wie man ihn definiert.
Die Einen schwören auf Maca-Wurzel, die Anderen auf Aronia-Beeren, Matcha Tee und Chia-Samen. Wiederum Andere halten das alles für Humbug und loben sich eine normal-ausgewogene Ernährung mit viel Obst, Gemüse und Vollkornprodukten. Und manche bleiben schlicht bei Pizza, Weißbrot & Eiscreme und werfen zwischendurch mal Goji-Beeren ein.
Deshalb war es mir ein Anliegen, etwas mehr Licht und Perspektive in das Thema Superfoods zu bringen – für mich selbst & euch, die ihr bestimmt auch schon öfters damit in Berührung gekommen seid. Aber lest selbst…
Interview mit der Ökotrophologin und Ernährungswissenschaftlerin Silke Restemeyer von der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE) in Bonn
VEGFOODLOVE: Frau Restemeyer, was macht aus Ihrer Sicht ein echtes Superfood aus?
Restemeyer: Eine einheitlich bindende Definition für Superfoods gibt es nicht. Allgemein werden darunter – häufig exotische – Lebensmittel wie Gemüse und Obst verstanden, die auf Grund ihres Nährstoffgehaltes einen höheren gesundheitlichen Nutzen haben sollen als andere Lebensmittel. Diese Superfoods werden als besonders gesund angepriesen, da sie reich an Vitaminen, Mineralstoffen, Spurenelementen, sekundären Pflanzenstoffen, Antioxidantien und Omega-3-Fettsäuren sind.
VEGFOODLOVE: Welche Lebensmittel zählen als Superfoods?
Der Begriff ist sehr beliebt in den Medien, fachlich aber nicht definiert. Je nach Region wird darunter etwas ganz Anderes verstanden: Ein Beitrag aus dem UGB-Forum* zeigt auf, dass hierzulande Goji-, Aronia- und Acai-Beeren, Chia-Samen, Matcha-Teepulver u.ä. vom Handel als Superfood angepriesen werden, während in den USA regionale Lebensmittel wie Blaubeeren, Grünkohl (Kale), Sardinen, Spinat, dunkle Schokolade oder Kürbis als das beste Superfood gelten. Anderswo wiederum sind Granatapfel und Rote Beete die Superfoods schlechthin. Alle diese Lebensmittel haben einen recht hohen Gehalt an positiven Nährstoffen.
*“Wie super sind Superfoods?“, Beitrag von Angela Clausen, Verbraucherzentrale NRW, Unabhängige Gesundheitsberatung (UGB) Gießen
VEGFOODLOVE: Superfoods können also auch ganz normale, heimisch wachsende Pflanzen und Früchte sein. Warum redet dann alle Welt nur von Produkten wie Moringapulver, Baobab vom afrikanischen Affenbrotbaum und Matcha?
Restemeyer: Diese Produkte sind auch deshalb so beliebt, weil sie einen Exotik-Faktor mit sich bringen. Dadurch sind sie aber nicht besser als das, was man hierzulande kennt und bekommt. Die Acai-Beere wird bei uns zum Beispiel als Super-Beere gehandelt. Sie weist einen extrem hohen Antocyan-Gehalt auf. Diese sekundären Pflanzenfarbstoffe kommen aber praktisch in allen blau-violetten und rot-schwarzen Obst- und Gemüsesorten vor, z.B. in Rotkohl, Blau- und Holunderbeeren und anderen, heimischen Produkten. Doch weil sie so exotisch sind, meinen viele, sich selbst etwas besonders Gutes zu tun, als wenn sie einfach nur Heidelbeeren essen würden.
VEGFOODLOVE: Was sind heimische Superfood-Alternativen?
Man könnte für fast jeden Superfood-Exoten eine äquivalente Alternative aus der Heimat finden: Bei den exotischen Goji-Beeren ist es ähnlich wie bei der Acai-Beere – auch hier lässt sich mit heimischen Beeren eine ähnliche Wirkung erzielen. Die Chia-Samen sind ganz vorn bei den angepriesenen Superfoods, genauso gut kann man aber auch Leinsamen verwenden. Dieser ist auch reich an Ballaststoffen, Omega-3-Fettsäuren und Protein. Die Chia-Samen haben aber einen deutlich höheren Preis.
VEGFOODLOVE: Wenn Superfoods besonders positive Nährstoff-Eigenschaften besitzen, sollten Normalverbraucher sie folglich regelmäßig konsumieren?
Restemeyer: Es spricht grundsätzlich nichts dagegen. Bei einigen Produkten wie Chia-Samen gibt es Höchstmengenbegrenzungen: so soll man z.B. maximal 15 g Chia pro Tag aufnehmen. Weil Langzeituntersuchungen bislang fehlen, soll man auch die Goji-Beeren nur mit Vorsicht genießen, wenn man z.B. gerinnungshemmende Medikamente nimmt. Grundsätzlich ist auf mögliche Wechselwirkungen exotischer Superfoods mit Arzneimitteln zu achten. Nicht zuletzt verstärkt z.B. Grapefruitsaft die Wirkungskraft bestimmter Arzneimittel* enorm, so dass ein zeitlicher Mindestabstand eingehalten werden muss.
*Anm.: Dies betrifft Cholesterin- und Blutdrucksenker sowie Herzmedikamente. Gleiches gilt für Limetten und Bitterorangen.
VEGFOODLOVE: Können Superfoods unsere Ernährungsdefizite ausgleichen?
Nein, denn auch wenn diese Lebensmittel einen hohen Gehalt an gesundheitsfördernden Nährstoffen haben, besitzen sie noch lange keine Superkräfte. Ebenso wie Nahrungsergänzungsmittel sind Superfoods nicht dazu geeignet, eine unausgewogene Ernährung auszugleichen. Denn kein einzelnes Lebensmittel enthält alle Nährstoffe, die wir brauchen. Wer gelegentlich zu Superfoods greift und sich morgens z.B. Goji-Beeren übers Müsli streut, sich ansonsten aber unausgewogen ernährt, dessen Ernährung wird dadurch nicht aufgewogen. Für einen umfassenden gesundheitlichen Langzeiteffekt gehört einfach mehr dazu: dass ich generell häufig zu Gemüse und Obst greife.
VEGFOODLOVE: Superfoods bringen also nur dann etwas, wenn man sich insgesamt ausgewogen und vitalstoffreich ernährt.
Restemeyer: Genau. Superfoods können den Speiseplan ergänzen und bringen eine geschmackliche Vielfalt. Das kann man jedoch auch mit einer generell abwechslungsreichen Ernährung erreichen. Häufig greifen wir ja doch immer wieder zu den gleichen Dingen, kaufen beim Obst z.B. immer Äpfel und Bananen, dabei könnten wir mit heimischen Produkten viel mehr variieren. Dafür braucht es nicht unbedingt Exoten.
VEGFOODLOVE: Einigen Superfoods wird ein heilend-präventives Potenzial nachgesagt: Grapefruitkern soll antibiotisch wirken, Shiitake-Pilz vor Gebärmutterhalskrebs schützen. Ist da was dran?
Restemeyer: Die Datenlage dazu ist dünn. Vom wem stammen diese Daten? Häufig werden sie von Anbietern in Auftrag gegeben. Es fehlen noch wissenschaftliche Belege für viele der angepriesenen präventiven, teilweise heilenden Wirkungen. Bei der Acai-Beere beispielsweise stammen die Daten aus dem Reagenzglas und lassen sich nicht einfach auf den Menschen übertragen. In den Studien kommen teils sehr viel höhere Mengen zustande, als wir dann tatsächlich essen. Der Nutzen ist ja nur da, wenn wir das Superfood in der entsprechenden Dosis täglich aufnehmen. Einmaliger Konsum bringt somit keinen Effekt. Grundsätzlich wirkt eine Ernährung, die reich an pflanzlichen Lebensmitteln ist, also an Getreideprodukten, Gemüse und Obst, präventiv auf verschiedene ernährungs-mitbedingte Krankheiten.
VEGFOODLOVE: Ernähren sich Menschen, die sich für Superfoods interessieren, nicht ohnehin bewusster und ausgewogener als der Durchschnitt?
Restemeyer: Mit Blick auf Nahrungsergänzungsmittel ist das bereits nachgewiesen. Tatsächlich greifen diejenigen dazu, die sich ohnehin ausgewogen und gesundheitsbewusst ernähren und im Prinzip keinen Bedarf haben: wir sind ja hier kein Vitaminmangel-Land. Trotzdem muss man im Auge behalten: Es greifen auch Menschen zu Nahrungsergänzungsmitteln und Superfoods in Extrakt-Form, die sich unausgewogen ernähren und dann meinen, sie könnten dies dadurch ausgleichen – das ist jedoch nicht der Fall.
VEGFOODLOVE: Frau Restemeyer, vielen Dank für das Gespräch.
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Zum Rezept: Chia-Joghurt mit Früchten (vegan & vegetarisch)